Stuhltransplantation bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Der Stuhltransfer, auch Stuhltransplantation genannt, ist immer wieder als Behandlungsmöglichkeit bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa im Gespräch.
Tatsache ist jedoch, dass die mögliche therapeutische Bedeutung des Stuhltransfers bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa noch nicht ausreichend erforscht ist. Der Fachbegriff für das Verfahren lautet fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT). Einzelne Untersuchungen und Studien zur Stuhltransplantation kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auch die genaue Rolle des Mikrobioms bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa konnte noch nicht vollständig entschlüsselt werden. So ist etwa die Frage offen, was die Darmflora aus dem Gleichgewicht bringt: Sind äußere Einflüsse wie die Ernährung verantwortlich oder ist die erbliche Veranlagung einer der Auslöser für Veränderungen des Mikrobioms bei CED? Ebenso wenig ist definiert, wie die ideale Zusammensetzung der Darmflora sein sollte, denn auch bei Darmgesunden unterscheidet sie sich von Mensch zu Mensch.
Quick Facts
- Das Mikrobiom – die Bakteriengemeinschaft, die unseren Darm besiedelt – hat eine Bedeutung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
- Im Vergleich mit Darmgesunden weist die Darmflora von Menschen mit CED eine veränderte Zusammensetzung auf. Sie ist unter anderem weniger vielfältig.
Es wird viel zur Stuhltransplantation geforscht
Auf der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind das Mikrobiom und die Stuhltransplantation in den letzten Jahren stärker in den Fokus der Forschung gerückt. Die Ergebnisse sind jedoch sehr unterschiedlich und zum Teil auch widersprüchlich.
- Eine australische Studie etwa untersuchte bei Patient*innen mit Colitis ulcerosa die Wirkung des Stuhltransfers. Zwar zeigte die Behandlung bei jeder dritten Person Erfolg, dieser hielt jedoch nur bei wenigen länger als 12 Monate an. Andere Studien kommen zu teilweise ähnlichen Ergebnissen, wobei die Auswahl der bzw. des Stuhlspendenden offenbar von Bedeutung ist.
- Bei Morbus Crohn zeigen die bisherigen Untersuchungen zur Stuhltransplantation keinen wirklichen Erfolg. Außerdem gibt es hier auch mögliche schwerwiegende Komplikationen. Weitere Forschungen zur Stuhltransplantation sind deshalb notwendig.
- Ein Beitrag dazu leistet das Register zum fäkalen Mikrobiomtransfer, das am Universitätsklinikum Jena eingerichtet wurde. Dort werden Daten zur Häufigkeit und Sicherheit des fäkalen Mikrobiomtransfers bei unterschiedlichen Erkrankungen aus Deutschland gesammelt.
Bei einer anderen Erkrankung, der wiederkehrenden Infektion mit dem Bakterium Clostridium difficile, wird die Stuhltransplantation dagegen bereits erfolgreich angewendet. Von einer etablierten Behandlung bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ist das Verfahren aktuell noch weit entfernt und sollte deshalb auch ausschließlich im Rahmen von Studien angewendet werden. Die aktuellen Forschungen tragen jedoch dazu bei, immer mehr Erkenntnisse zum Mikrobiom und zur Stuhltransplantation bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu erhalten.
Experteninterview mit Prof. Franz Hartmann: Was ist Stuhltransfer?
Prof. Hartmann: Unter Stuhltransfer versteht man das Einbringen von Stuhl von gesunden Spendenden in den Darm, entweder Dünndarm oder Dickdarm, von Patient*innen. Dies geschieht entweder über eine nasoduodenale Sonde oder im Rahmen einer Spiegelung (Endoskopie) über den Dickdarm.
Prof. Hartmann: Weil sich ganz offensichtlich das Mikrobiom, also die Darmflora, von Menschen mit CED deutlich von der Darmflora darmgesunder Menschen unterscheidet. Bestimmte Bakterien kommen z. B. seltener vor. Viele Fragen dazu sind jedoch noch offen. Nicht geklärt ist etwa, ob die Krankheit das Mikrobiom verändert oder das „andere Mikrobiom“ für die Krankheit zumindest mitverantwortlich ist.
Prof. Hartmann: Dazu gibt es bisher nur vereinzelte wissenschaftliche Arbeiten, deren Ergebnisse unterschiedlich und nicht sehr aussagekräftig sind. Grundlagenforschung zum Mikrobiom ist allerdings ein neuer Forschungsschwerpunkt, nicht nur bei CED, sondern auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie bei Diabetes, Fettleibigkeit (Adipositas), Reizdarm oder Gefäßerkrankungen wie Arteriosklerose.
Prof. Hartmann: Stuhltransfer wird seit Jahren mit sehr guten Ergebnissen bei Dickdarmentzündungen eingesetzt, die durch das Bakterium Clostridium difficile verursacht sind, der sogenannten Clostridium-difficile-Colitis, und bei denen die herkömmlichen Behandlungen nicht wirken. Dort liegen die Heilungsraten bei über 90 %.
Prof. Hartmann: Als Stuhlspendende kommen lediglich gesunde Erwachsene infrage. Bei ihnen werden vorher umfangreiche Untersuchungen gemacht, um sicherzugehen, dass sie keine chronischen Erkrankungen bzw. Infektionen, die durch Viren oder Bakterien ausgelöst werden, haben.
Der gewonnene Stuhlgang wird dann mit Kochsalzlösung oder normalem Trinkwasser verdünnt aufbereitet, gefiltert und der bzw. dem Stuhlempfänger*in zugeführt. Vor dem Stuhltransfer wird bei der bzw. dem Empfänger*in eine Behandlung mit Antibiotika und anschließend eine Darmreinigung durchgeführt.
Prof. Hartmann: Nach den bislang vorliegenden Erkenntnissen glaube ich eher nicht, dass der Stuhltransfer, so wie oben beschrieben, bei Menschen mit CED als generelle Behandlung infrage kommen wird. Zurzeit wird an einzelnen Bestandteilen des Stuhls mit bekannten günstigen Eigenschaften geforscht, um so zu einer Therapie zu kommen, die breiter angewendet werden kann und auch weniger Nebenwirkungen hat.
Auf keinen Fall sollte ein Stuhltransfer außerhalb kontrollierter klinischer Studien bei Menschen mit CED durchgeführt werden. Menschlicher Stuhl enthält neben hilfreichen Bakterien eine Vielzahl anderer, potenziell schädigender Keime (Bakterien, Viren, Pilze etc.) und Giftstoffe. Im Zweifelsfall können diese über eine geschädigte Schleimhautbarriere direkt in den Körper gelangen und erhebliche unerwünschte Wirkungen – von einem vorübergehenden Temperaturanstieg bis zur Blutvergiftung (Sepsis) – verursachen.